2015-09-25

Mein Style

Im Kinderkanal gibt es einen „The Great British Sewing Bee”-Ableger für Kinder. Heißt dort „Mein Style” – und jedes Mal, wenn ich bei dem Format versehentlich rein zappe, bleibe ich dort hängen. Da sind – adrette bis fürchterlich hübsch telegene – Kids zwischen 10-16 Jahren, die in einer Woche täglich Näh- und Stylingaufgaben bewältigen müssen. Und das dann tun. Und wie sie das tun! Bewertet wird von einer dreiköpfigen Jury, deren Kommentare dem Niveau der Leistungen dieser jungen echten Nähtalente inhaltlich nicht annähernd gerecht werden. Dafür sind sie jung, wenn auch deutlich älter als die Kandidaten und sie tragen stylische Sachen (Mädels) oder wirken leicht hipstermäßig ungepflegt (Junge).

Natürlich ist dem Format das übliche „Pimp My Social Skills”-Bildungsprogramm beigefügt. Die Kids haben sich untereinander total lieb, helfen sich immer begeistert gegenseitig, und finden sich und die Arbeit der anderen ganz toll und keiner will gewinnen, weil eigentlich doch alle gewinnen müssen. Typische US-TV-Konzept-Scheiße. My As!

Das Mädchen, das für alle Kandidaten einen „Soll-Glück-bringen-Hipster-Schnauzer” genäht hat, macht dann natürlich auch das Rennen. (Das „natürlich” in diesem Satz ist zu 90 Prozent verdammt unfair, denn dieses Mädel kann einfach fantastisch nähen und kreieren.)

Wenn die Kids gestylt und genäht und somit ihre Tagesaufgabe erfüllt haben – und das tun sie alle mit einer Kompetenz, hinter der ich mich locker verstecken und mich sehr klein machen muss – dann führen junge Modelle deren Mode auf dem Laufsteg vor und tun dabei so, wie sie glauben, als Modell auf dem Laufsteg tun zu müssen. Das ist einerseits herzallerliebst anzusehen, weil sie dann doch stellenweise sehr unbedarft bis ungelenk rüberkommen, andererseits lässt es einen fast weinen, denn die Modells, vor allem die weiblichen, sind so dünn. Also: soooo dünn. Einerseits ist das verständlich, denn Mädchen vor der Pubertät sind nun mal kurvenlos. Aber es gibt auch Mädchen vor der Pubertät, die andere Lebensziele haben als mit Size-Zero durch's Leben zu gehen. Die auch das Recht haben, stylish benäht zu werden und diese Mode dann im Fernsehen vorführen zu dürfen.

Die Gewinnerin darf sich über 500,— Euro freuen und auf einen Besuch bei der Berliner Fashion Week. Als Hauptgewinn aber gilt, dass sie nun künftig die erste KiKA LIVE-Fashion-Bloggerin sein darf.

Deutsche TV-Sender loben also als Hauptpreis aus, dass Kinder in ihrem Namen bloggen dürfen. Ich überlege seit gestern nun, ist das jetzt besonders schlau oder besonders doof oder besonders asozial oder nur ganz besonders von gestern?

Hier kann man sich das gestrige Finale mit drittklassiger „Live-Performance” einer der Jurorinnen ansehen. Die teilnehmenden Kandidatinnen und Kandidaten können wirklich etwas. Der Rest? Ich habe da meine Zweifel.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die size-zero-Kurvenlosigkeit war vor 20 Jahren selbst bei uns in der Kleinstadt schon das Ideal. Ich erinnere mich an irgendeine Kulturverein-gesponsorte Retro-Modenschau, bei der die dürre blonde Hälfte meiner Klassenkameradinnen Model spielen durfte. Als Typ "halbasiatisch, wird vielleicht mal Kugelstoßerin" hatte man da keine Chance. Man hat den Mädchen damals die Kleider tatsächlich enger genäht, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht.

Genagt hat das mehr als irgendwelche Stereotype in der Werbung oder Magazinen. Ich werde immer einen breiten Rücken und ein flaches Gesicht haben, niemals einen schmalen Schwanenhals. Und alles ist gut so. Immerhin kann ich mir meine Mode jetzt selbst nähen und habe nicht das Bedürfnis, mich im TV zu präsentieren.

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