2014-07-18

Da wirste irre!

Die Krankenkasse sendet vor zwei Wochen den gefürchterwarteten Brief, dass die 72 Wochen demnächst rum sind und der Aussteuerungsprozess auf deren Seite ansteht. Ich möge mich bei der Agentur für Arbeit melden. Theoretisch hätte ich noch Anspruch auf einen Monat ALG I. Die aber sowieso nicht zahlen werden, denn ich bin ja nicht vermittlungsfähig. Wer aufgrund seiner Krankheit nicht vermittlungsfähig ist, muss zum Jobcenter.

Ich reiße also heute alle Nerven zusammen, packe viel Mut dazu, mache vorher eine Stunde Pilates und konzentriere mich auf mein Powerzentrum oder wie der Quark heute in Berlin-Mitte heißt und marschiere in Richtung Jobcenter. Dort stelle ich mich in die Reihe, die zu den Empfangsdamen führt und die heute geht so lang ist.

Ich schreite zu der frei gewordenen Dame, die nie ihre Ampel auf rot stellt, dafür immer auf grün belässt, dafür die Kunden anpflaumt, sie sollten gefälligst direkt zu ihr kommen ohne dass sie extra mit der Hand winken muss.

Ich lege meinen jüngsten Bescheid vom Jobcenter vor, erkläre, dass mein Krankengeld demnächst ausläuft, dieses vom Jobcenter bezuschusst wurde, lege das Schreiben der Krankenkasse vor und meinen Personalausweis und frage, was nun zu tun sei, ob ich einen neuen Antrag stellen muss.

Die Dame erklärt mir, das sei nicht nötig, die Unterlagen müssten nur kopiert werden, würden dann in der Leistungsabteilung eingereicht und das wäre es.

Ich denke bei mir, das ist ja prima, im Grunde viel zu einfach. (Und mache mir deswegen sofort Sorgen.) Und ich erwarte, dass sie nun die Unterlagen kopiert und mir den üblichen „Folgende Unterlagen wurden am Xten.Xten von mir eingereicht”-Empfangszettel ausdruckt.

Sie indes nimmt einen kleinen Zettel zur Hand, schreibt mir eine Zimmernummer auf und erklärt mir einen Weg durch das Haus in die Eingangszone. Ich solle keine Wartenummer im Wartebereich ziehen, direkt zum Zimmer XX.X gehen und würde dort aufgerufen werden, dort würden die Unterlagen kopiert werden.

Ich tue wie mir befohlen wurde. Werde nach einer Weile von einem Herren aufgerufen. Ich lege meinen jüngsten Bescheid vom Jobcenter vor, erkläre, dass mein Krankengeld demnächst ausläuft, dieses vom Jobcenter bezuschusst wurde, lege das Schreiben der Krankenkasse vor und meinen Personalausweis und bitte den Mann nun Kopien meiner Unterlagen anzufertigen.

Er nimmt einen Handzettel, notiert darauf Nummern, die ihm der Computer vorgibt. Dann sucht er meine BG-Nummer und trägt Nummern ein, zieht eine weitere Nummer aus meinem Datensatz und notiert diesen händisch. Nach ca. vier Minuten Arbeit seinerseits und faszinierendem Staunen meinerseits, heißt es „auf, wir gehen zum Kopieren und dann haben Sie es für heute geschafft.”

Wir verlassen den Raum, gehen um anderthalb Ecken, er verschwindet hinter zwei Türen, kommt nach einer Weile X zurück und übergibt mir meine Unterlagen und verabschiedet sich ins Wochenende.

Das Jobcenter hat also, um die Empfangsdamen von der Kopie-Tätigkeit zu entlasten, eine zusätzliche Funktion Copy-Agent-Fallmanager geschaffen, dafür müssen die Empfangsdamen nun einen Handzettel ausfüllen (wo früher 'ne BG-Nummer auf das Papier geschrieben worden ist) und ein weiterer Mitarbeiter einen Nummernzettel ausfüllen und x-Mal am Tag mit jedem Kunden zu einem abgelegenen Kopierraum wandern, der aus gesundheitlichen Gründen bei Behörden, vermute ich, nicht im direkten Zugriff stehen darf.

Und ich soll nicht irre werden.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dein Gefühl des IrreSeins endet mit dem Verlassen des Hauses und Du kannst Dich den persönlichen Dingen/Freiheiten zuwenden... und die Daseins-Berechtigung in gewissenen Maße selbst bestimmen (ich nenne es Alibi-Leben gegenüber dem Amt, denn eine Vollzeitstelle schaffe ich gesundheitlich nicht). Den darin verbleibenden Insassen (Mitabeiter des Job-Centers) ist der genormte Irrsinn oftmals ebenso bewusst (und sie werden zudem in den niederen Strukturen schlechter entlohnt als viele glauben), oder wissen für sich auch keine Arbeits-Lebens-Lösung mehr...
Oftmals denke ich, "danke, dass ich den Absturz schon hinter mir habe..." Die Leute dort müssen ausharren und dieses irre System auch noch stützen um sich nicht plötzlich selbst gegenüber zu sitzen (was dennoch wegen Zeitarbeitsverträgen passiert).
Die jüngere Generation ist schlimmer dran und verschiedene Zustände gelten NOCH als "Krankheit" und sind behandlungswürdig, obwohl sie alltäglich und normal geworden sind...
Ich ändere in solchen Situationen pragmatisch die Einstellung, genieße das beschränkte Dasein und arbeite zudem für das soziale Ego einige Stunden ehrenamtlich..
Schlimmer kanns noch immer werden...
TOI!TOI!TOI! und wieder einmal "ALLES GUTE"
aus einer Elbe-Stadt

Hajo hat gesagt…

kennst Du Asterix erobert Rom?

Anonym hat gesagt…

Sehen Sie es mal positiv: so hat wenigstens der Copy-Agent-Fallmanager einen Job. Was meinen Sie, wo der sonst wäre? (Böser Sarkasmus. Meine eigenen Erfahrungen mit der Arbeitsagentur sind begrenzt, was sich aber schnell ändern kann, wenn die Firma mit ihrer derzeitigen Personalpolitik fortfährt.)

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