2009-07-18

Carin II

Heute ist mir beim Kramen dieses Foto aus analogen Zeiten aus einem Ägyptenurlaub in die Hände gefallen. Zeit, die Geschichte zum Foto zu erzählen.




1992 war so ein Jahr. Meine Oma, die letzte der lieben Großeltern, die geblieben war, starb im Sommer 1992. Im Herbst flog ich nach Ägypten, die Tauchtouristin geben. Dort blieben wir die erste Woche in einem Null-Sterne-Hotel in Hurgadha direkt am Strand und unternahmen die dort üblichen Tagestouren auf's Meer, die letzte Woche hatte unsere Clique ein Segelboot gemietet und wir bewegten uns eine Woche lang draußen auf dem Roten Meer, alleine mit Delphinen, Napoleon Lippfischen, Oktopusse, Korallen, Riffen, blauem Himmel, strahlender Sonne, dunklen Nächten – und einem Tauchlehrer, der nur über dem Klo hing.

Am Strand, dem Strand, an dem mir im Meer beim Rückwärtsschwimmen der Ehering meines damals schon verstorbenen Vaters, den mir meine Mum sehr schön hatte umarbeiten lassen, vom Finger rutschte und in die Tiefen des Meeresgrundes versank, lag in ca. 500 m Luftlinie ein Boot. Ein sehr schönes Boot. Mit viel Teakholz, schnittig in der Form, voller Stolz und dennoch nicht übertrieben protzig. Irgendwie ein sehr trauriges Boot. Auf alle Fälle ein Boot mit Aura. Hier muss ich allerdings erwähnen, dass Boote, sobald sie verlassen wirken oder in einem wrackähnlichen Zustand sind bei mir sowieso immer viel Seele haben, ich habe einen merkwürdigen Bezug zu Booten. Tauchen habe ich nur gelernt, weil ich Wrack tauchen wollte. Während alle damals in den Film „Titanic“ liefen, ging ich lieber zu den Vorlesungen von Robert B. Ballard. Wenn ich also schreibe, ein Boot mit Aura, das mag das meiner subjektiven kleinen Boots-Meise entspringen, möglicherweise hat die Boot aber tatsächlich eine. Verwunderlich wäre es nicht, weiß man um die Geschichte.

Das Boot lag da, wurde von einem Ägypter in typischer weißer Landestracht und einem Kamel bewacht. Wir schwammen einmal in die Nähe des Bootes, lungerten ein wenig in dessen Nähe am Strand herum (man kam nicht direkt vom Strand auf das Boot, einen Anleger gab es nicht) und waren fasziniert von des Bootes Ausstrahlung, seinem Zustand und verstanden nicht, warum so ein schönes Boot dort verlassen vor sich hin schwamm.

Erst als wir in der zweiten Woche in See stachen und auf unserer Segelyacht an dem Boot in Entfernung vorbei fuhren, dem Tauchlehrer es zwar schon schlecht ging, er aber noch grinsen und erzählen konnte, erfuhren wir, dass es sich bei diesem Boot um Görings Yacht, die Carin II, handelte. Die dort komplett restauriert und nach damals neuesten technischen Möglichkeiten umgebaut vor sich hin gammelte und einen Käufer suchte. Wir erinnern uns: für den letzten Umbau war Stern-Reporter Gerd Heidemann verantwortlich, der war kurzfristig mit einer nur kurzen Übergangszeit zu etwas viel Geld gekommen wegen zu falscher Hitler-Tagebücher. Dem deutschen Presseskandal überhaupt, 1983. Das Jahr des „Stern“ – auf sehr unterschiedlichen Niveaus.

Die Carin II, ca. 28 m lang, wurde Hermann Göring 1937 von der Deutschen Automobilindustrie nachträglich zu seiner Hochzeit geschenkt. Gebaut für mehr als eine Million Reichsmark auf der Hamburger Alsterbootswerft Heidtmann. Göring ließ das Schiff auf seine Frau Emmy registrieren, er wollte damit etwaigen Bestechungsvorwürfen vorbeugen. Auf dem Boot wurden nicht wenige Staatsgeschäfte gemacht und politische Entscheidungen getroffen, die Carin II war Görings persönliche Kommandoschaltzentrale. Im Krieg ging das Boot in Berlin-Gatow vor Anker, 1945 wurde es nach Mölln verlegt, wo die Engländer es beschlagnahmten und Prinzessin Elisabeth als Kriegstrophäe umgetauft auf „Royal Albert“ überreichten. Die benannte die ehemalige Carin II nach der Geburt ihres Sohnes „Prince Charles“ um, der auf ihr den einen und anderen Urlaub verbrachte.

1960 wollte Emmy Göring das Boot zurück und die Queen überließ es ihr. 1961 verkauft die Witwe Görings das Schiff an einen Druckereibesitzer für 33.000 Deutsche Mark, der verkaufte an Heidemann für 160.000 DM, der das Boot mit viel finanziellen Aufwand überholen lässt. (Hier ein Interview mit Heidemann über seine Geschichte mit der Carin II und den Plänen von Henry Nannen mit diesem Boot.) Als ihm das Geld ausging, verkaufte er die Carin II an Sandra Simpson und ihren ägyptischen Mann Mustafa für 270.000 DM,–. Seit 1993 versucht die mittlerweile verwitwete Simpson, die behauptet zu Zeiten des Kaufes gar nicht gewusst zu haben, wem das Boot einmal gehört hatte, die Carin II zu verkaufen. Ohne Erfolg. Und mit schlimmen Konsequenzen für das Boot, wenn ich mir dieses Foto angucke. Der Spiegel hat 2004 die Geschichte der Carin II weitergeschrieben. Ich weiß nicht, ob sie mittlerweile verkauft wurde. 2005 hat die Zeit einen langen Artikel über Simpson und ihre Geschichte mit dem Boot gedruckt, ein umfangreicher schöner Artikel, denn man ist teilweise gefühlt mit an Bord.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das Boot liegt jetzt in El Gouna und soll restauriert werden. S.S. konnte seit langem die Liegegebühr nicht mehr zahlen, so ging die CarinII in andere, aber sichere Hände über.


www.mein-aegypten.de.tl

creezy hat gesagt…

Dankeschön für die Information! ,-) Dann drücke ich der Carin die Daumen, dass sie irgendwann doch noch mal das macht wofür sie erschaffen wurde.

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