2007-09-30

Hilft ja nix.



Man muss sich bewegen, wenn man seinen eigenen Horizont erweitern will. Bleibt man beharrlich an der gleichen Stelle stehen und denkt bei sich, «hier ist es schön, hier bleibe ich und alles was ich denke und sage hat Bestand, denn nur ich habe mir dieses Stück vom Horizont entdeckt, mir so hart erkämpft und nur ich bin so weit und bis hierhin gekommen», dann wird es passieren, dass alle anderen an demjenigen vorbei ziehen, ihn überholen werden und viel mehr vom Horizont sehen und erleben werden als der, der glaubt, er hätte schon alles gesehen, gedacht, gewusst, gelernt und gesagt. Weil er glaubt, sein Stück vom Horizont, das sei das wahre Stück vom Horizont und er sich deswegen auch nie ein Stück nach rechts oder nach links zu gehen traut, lieber still steht.

Und dann steht er eines Tages da, guckt auf sein aus der Sicht der anderen immer kleiner gewordenes Stück vom Horizont und stellt fest, wie einsam er geworden ist und das niemand, so gar niemand mehr sein Stück Horizont mit ihm noch teilen mag, weil sie alle sein Stück vom Horizont schon längst gesehen haben, mehrmals und immer wieder und bereits müde sind, es weiterhin von ihm immer wieder gezeigt zu bekommen. Denn sie waren sich selbst gegenüber viel früher unbequem und haben sich bewegt, sind längst weitergezogen und haben viel mehr vom Horizont gesehen und wissen, das dieser woanders schöner, gelassener, farbenfroher, intensiver, realer, wärmer, zärtlicher, realistischer, intensiver sein kann.

Ja, es hilft nichts. Man muss sich tatsächlich bewegen.

11 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sehr wahr. Ich staune jeden Tag über Menschen, die sich in einer kleinen, vermeintlich sicher eingezäunten Welt wohl fühlen, daraus riesiges Selbstbewusstsein ziehen und sich manchmal anmaßen, mir die Welt erklären zu wollen. Die nur pauschal reisen, keine Fremdsprachen sprechen, sich nicht bilden, die unpolitisch sind, die gar nicht auf die Idee kommen, irgendwelche Risiken einzugehen könnten sich lohnen.
Die haben aber vielleicht einfach nur mehr auf ihre Eltern gehört als unsereins, denn das Gebot der Mobilität und Flexibilität gilt ja noch gar nicht lange. Für die Elterngeneration, deren Nachkriegskindheit vaterlos, elternlos, heimatlos und arm verlief, hatte das Häuschen, der sichere Job, das politische Dogma, auf dem kleinen Kuchenteller hübsch angerichtet, über dessen Rand hinauszusehen keine Notwendigkeit bestand, einen ganz anderen Wert als heute. Konstanz, Sesshaftigkeit, Sicherheit.
Und wenn man sich nie bewegt, weil man am Aufenthaltsort alles zu haben glaubt, was man braucht, sieht man auch neue Ziele oder Erfahrungen nicht, die es sich lohnen würde, anzustreben.
Auf dem eigenen kleinen Kuchenteller fühlt man sich groß, je weiter man sich über den Tellerrand hinauswagt, desto größer erscheint der Esstisch, die Küche, das Haus, die Stadt, die Welt, das Universum, desto unbedeutender wird die eigene Person. Das muss man sich trauen.

Anonym hat gesagt…

Dem kann ich nur zustimmen! Ich erlebe gerade wie schwer es ist seine Nächsten davon zu überzeugen das eine Veränderung notwendig ist. Ich ernte sehr viel Unverständnis - obwohl die Änderung in erster Linie mich betrifft.

In der Hauptsache liegt es wohl darin das der Mensch an sich keine (Ver-)Änderungen mag. Das betrifft jedoch nicht nur Ältere, mir fallen auf Anhieb vier Leute um die Zwanzig ein, denen nichts suspekter ist als ein Bewegung "nach vorne".

Anonym hat gesagt…

Sehr schön.
Keep it movin'!

Anonym hat gesagt…

Ich muss gestehen, dass ich auch keine Veränderungen mag. Es dauert immer eine Zeit, bis ich mich in Bewegung setze. Dann allerdings mache ich das sehr konsequent und für meine Umgebung vielleicht auch überraschend.

Anonym hat gesagt…

Oh, das hast Du wunderschön ausgedrückt!

Anonym hat gesagt…

Sehr schön gesagt. Grade in Zeiten, in denen die häufigste Horizonterweiterung mit dem Austausch der alten Glotze gegen einen 106 cm Breitbildapparat abgeschlossen ist.

Aber ... irgendwann mal irgendwo ankommen wäre auch schon. Oder nicht mehr rennen müssen. Vielleicht sieht man ja auch mehr, wenn man mal die Ruhe hat, nur entspannt zu schlendern?

Anonym hat gesagt…

Schöner Text, wahre Kommentare ... Besonders schlimm empfinde ich dabei immer, dass man als "Mutige", die die gewohnten Bahnen verlässt, fast schon als Bedrohung der kleinen beschränkten Welt angesehen wird. Selbst Leute mit Mitte Dreißig reden von Sicherheit, festem Job und "denk an die Rente, du wirst auch älter".

pitchblack hat gesagt…

ohne veränderungen würde ich eingehen.
umräumen hilft da manchmal schon. mein job macht mir auch gerade sehr viel spaß, alle zwei monate eine neue abteilung, neue menschen, neue orte, neue aufgaben.

und abwechslungsreiche musik sowieso.

Anonym hat gesagt…

Ja, leider paßt der Text auf mich. Mit 44 bin ich jetzt seit 1981 am Programmieren, 1990 war mein Horizont am breitesten und die letzten Jahre hat er sich allerhöchstens erhalten.
Jetzt bin ich an der Stelle angelangt, wo ich feststellen muß, die anderen sind alle weiter und fühle mich müde! Und möchte am liebsten ganz was anderes werden! Sei es Hebamme oder Gärtner!
Ich habe immer über den Tellerrand geguckt, die Stadt gewechselt und Neues gewagt. Trotzdem ... sehr schön gesagt! Morgen versaut ;)

Anonym hat gesagt…

Ach ja! Happy Birthday, liebe Creezy!!!!

creezy hat gesagt…

@nachtschwester
.

@christian
Und ich erlebe in meiner Generation um die 40 so einige, die denken, da wo sie stehen stehe sie gut und richtig und für immer. Die machen mir Angst.

@mc
Kommen 'se mit?

@claudia
Aber Du bewegst Dich? Darauf kommt es doch an. Ich denke, es gibt immer solche und solche Zeiten und zwischendurch ist Gleichgang, meinethalben Lethargie auch okay. Aber wenn so ganz früh im Leben alle Ampeln für's Weitergehen auf rot gestellt wurden, dann ist das schon erschreckend.

@larousse
merci!

@ker0zene
Na, man kann ja auch ankommen und auch still stehen. Aber dann sollte man vielleicht auch auf andere gucken und versuche mit deren Augen die Dinge zu sehen. Einfach den Mut haben, nur etwas anderes zu denken oder zu sehen als sonst immer, reicht ja schon aus.

@claudia
Oh ja, solche Leute können den anderen aber auch Angst machen.

@p1tchbl4ck
Yep. Trotzdem bitte auch mal reflektieren. Die andere Seite – zuviel Bewegen ohne zu gucken, was es in und mit einem anrichtet, bringt auch nur das halbe Ergebnis. ;-)

@sabine
Sorry, wollte nicht den Morgen versauen. Aber gerade das was Du beschreibst ist doch gut, weil Du selber siehst wo's Dich im Moment stört und Du nach Alternativ suchst. Aber die Leute, die ich im Text meinte, die tun ja nicht einmal das. Die kämen gar nicht auf die Idee, dass ihr Horizont für sie selber schon längst ausgedient hat.

Und Rekonvaleszenzen sind immer erlaubt! ,-) merci!

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